Das kleine Weihnachtswunder von Wuppertal

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Wenn Fremde zur Familie werden 

Weihnachten ist das Fest der Liebe, an dem man enger zusammenrückt. Doch was, wenn man an Heiligabend mutterseelenallein zuhause sitzt? Seit Anfang der 1970er-Jahre laden Diakonie, Caritas und Christlicher Verein Junger Menschen (CVJM) Ältere und Alleinstehende in die Historische Stadthalle in Wuppertal ein, wo Fremde für einen Abend die Familie ersetzen. Wir haben mit der Ehrenamtlerin Susanne Probach gesprochen, um herauszufinden, warum die Menschen von einem alljährlichen Weihnachtswunder sprechen.

Frau Probach, Sie engagieren sich ehrenamtlich im kleinen Organisationsteam der Weihnachtsfeier für alleinstehende und einsame Menschen in der Historischen Stadthalle Wuppertal. Wie viele Menschen erwarten Sie in diesem Jahr?

Wir haben in den letzten Jahren immer rund 600 Gäste gehabt und erwarten diese Zahl auch in diesem Jahr. Damit ist es die größte Veranstaltung dieser Art am Heiligen Abend.

Wie lange beteiligen Sie sich schon an der Organisation?

Das erste Mal mit organisiert habe ich die Feier 1981, als ich meine erste Stelle als Hauptamtliche für die Jugendarbeit beim CVJM aufnahm. Mich hat die Veranstaltung sofort fasziniert und die Gestaltung gehörte sieben Jahre lang zu meinen beruflichen Aufgaben. Nach meinem Berufswechsel war ich dann erst einmal raus. Doch nach der Kinderzeit bin ich wieder eingestiegen und seit 2000 als Ehrenamtlerin aktiv. Irgendwie hat mich diese Weihnachtsfeier einfach nicht losgelassen.

Anscheinend sind Sie nicht die einzige, denn Sie haben laut eigener Aussage viele Unterstützer, die an Heiligabend tätig sein wollen. Wer sind diese Helfer?

Das stimmt. Zum ersten Vortreffen für Ehrenamtliche kamen auch in diesem Jahr wieder mehr als 70 Leute. Ich glaube, dass sie alle an Weihnachten etwas zurückgeben möchten. Das sind junge Menschen, wie zum Beispiel Studenten, oder auch ältere Ehepaare, die vielleicht auch nur zu zweit zuhause säßen. Sie übernehmen am Veranstaltungsabend in Teams von zwei bis drei Leuten die Gastgeber-Rolle.

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Diese Feier hat mich einfach nicht losgelassen.
Welche Aufgaben übernehmen diese Gastgeber?

In erster Linie kümmern sie sich darum, dass sich die Menschen an ihrem Tisch wohlfühlen. Dazu gehört, dass jeder etwas zu trinken und zu essen bekommt, oder auch mal die Hilfe beim Gang bis zur Toilette. Sie helfen auch dabei, dass die Menschen miteinander ins Gespräch kommen, wobei das eigentlich nicht wirklich eine Herausforderung ist, denn viele der Gäste reden doch ganz gern. (lacht) Vielmehr müssen die Gastgeber manchmal sogar für etwas Ruhe sorgen und die Aufmerksamkeit auf das Rahmenprogramm lenken. Schließlich verdienen das die vielen Künstler, Sänger und Redner, die jährlich ohne Gage auftreten.

Wenden sich die Gäste denn auch mit traurigen Themen an die Ehrenamtler?

Ja, das kommt durchaus vor. Sehr viele Menschen verbinden das Weihnachtsfest mit emotionalen Erinnerungen, die an diesem Abend hochkommen können. Dann heißt es: Trost spenden!

Wie geht man dabei am besten vor?

Eigentlich ist es ganz einfach: Man muss zuhören und die Sorgen der Menschen sowie das Gespräch ernst nehmen. Das reicht häufig schon aus. Wir haben erfahrene Helfer, die in solchen Dingen viel Fingerspitzengefühl beweisen. Einige sagen zum Beispiel auch schon im Vorfeld, dass sie sich der obdachlosen Gäste annehmen werden, die auch herzlich eingeladen sind und die sich – wie man sich vorstellen kann – mit ganz speziellen Sorgen an uns wenden. 

Was motiviert Sie persönlich, gerade bei dieser Veranstaltung mitzuhelfen?

Auf jeden Fall motiviert mich mein christlicher Glaube. Ich möchte mit dazu beitragen, dass die Weihnachtsbotschaft erlebt wird und dass jeder etwas von dieser Liebe spüren soll. Und wie schon erwähnt: Es ist eine besondere Feier, die eine einzigartige Stimmung erzeugt.

Der Aufbau sowie die Rückfahrt der Gäste werden von zahlreichen freiwilligen Wuppertalern bewerkstelligt – ganz ohne vorherige Anmeldung…

…und beides hat bisher immer reibungslos funktioniert. Ich erinnere mich noch an einen Heiligabend vor einigen Jahren, der völlig im Schneechaos versank. Wir hatten große Angst, dass die Menschen nicht nach Hause kommen. Doch auch an diesem Abend waren zahlreiche Freiwillige mit ihren privaten PKW auf dem Parkplatz der Stadthalle vorgefahren. Es ist noch nie einer unsere Gäste stehen geblieben. 

Heiligabendfeier Stadthalle Wuppertal
Insbesondere dieser Teil des Abends wird mittlerweile von vielen als das Weihnachtswunder von Wuppertal bezeichnet.

Es ist ja auch wundervoll. Die feierlich geschmückte und hell erleuchtete Stadthalle wird zum Anziehungspunkt für ganz viele Menschen – fast so, als würde ihnen wie beim Stern von Bethlehem etwas den Weg weisen. 

Aber das eigentliche Wunder bleibt für mich die Veranstaltung als Ganzes.Ich habe immer wieder mitbekommen, dass sich Gäste an einem Tisch fürs nächste Jahr verabreden, oder sogar Bekanntschaften entstehen, die dann auch außerhalb der Feier gepflegt werden. Fremde werden hier mindestens für einen Abend zu einer Art Ersatzfamilie. 

Was war ihr schönstes Erlebnis im Rahmen der Weihnachtsfeier?

2015 kam morgens ein junger Flüchtling aus Syrien zur Stadthalle – ohne zu wissen, was er dort sollte. Er war tatsächlich zu einer öffentlichen Anlaufstelle der Stadt gegangen und hatte dort erzählt, dass er sich einsam fühle. Alles, was er bekam, war ein Zettel mit der Adresse der Stadthalle und der Uhrzeit des Aufbaus. Wir sind dann auf ihn zugegangen, haben ihm erklärt, was wir hier machen – und ihm, nachdem er mit aufgebaut hatte, ausnahmsweise einen Platz auf der Veranstaltung am Abend verschafft. Heute hat dieser junge Mann im CJVM Fuß gefasst und kümmert sich in einem Flüchtlingsprojekt um andere junge Menschen. Und natürlich kommt er als Ehrenamtler auch jährlich in die Stadthalle. Dass dieser enge Kontakt so spontan an Weihnachten entstanden und auch geblieben ist, ist für mich persönlich eine sehr schöne Erfahrung. 

Die Geschichte der Wuppertaler Weihnachtsfeier

Seit nunmehr 71 Jahren laden Diakonie, Caritas und CVJM an Heiligabend Alleinstehende und ältere Menschen ein. Die Idee zur gemeinsamen Weihnachtsfeier für Flüchtlinge und Kriegsheimkehrer entstand 1948 beim CVJM-Elberfeld. Seit 1961 findet diese Feier jedes Jahr statt. Wurden zunächst nur kleinere Räumlichkeiten angemietet, nutzt man seit 1975 die Historische Stadthallte Wuppertal als Veranstaltungsort.

Mit jährlich rund 600 Gästen ist es die größte Veranstaltung in Deutschland, die an Heiligabend Menschen zusammenbringt. Die Karten werden traditionell ab dem 6. Dezember einzeln gegen eine Gebühr von 3 Euro ausgegeben. Finanziert werden sie zu einem Großteil über eine Spendenaktion unter dem Motto „Platz gemacht“. „Wir sagen immer: mit 20 Euro schenkt man einem einsamen oder alleinstehenden Menschen ein schönes Weihnachtsfest“, erklärt Susanne Bossy, Referentin für Öffentlichkeitsarbeit beim Caritasverband Wuppertal/Solingen.

Neben Essen und Getränken wird den Gästen ein Rahmenprogramm geboten, für das die Künstler – vornehmlich aus Wuppertal – auf ihre Gagen verzichten. Rund 100 Ehrenamtler kümmern sich um die Organisation der Veranstaltung. „Und wir rufen die Wuppertaler auch in diesem Jahr wieder auf, spontan beim Aufbau oder um 23 Uhr als Fahrer zu helfen“, so Bossy.

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