Wenn Nörgeln zum Produktivitätskiller wird

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Meckern im Büro

An manchen Arbeitstagen geht einfach alles schief: Die Bahn fährt Ihnen vor der Nase weg, die Kaffeemaschine ist defekt und nach dem Lunch wartet als Dessert eine Beschwerde vom Kunden. Da ist es ganz natürlich, erst einmal eine ordentliche Runde zu jammern. Doch was, wenn das Nörgeln zur Regel wird und beginnt, sich auf den Job auszuwirken? Soziologe und Zeitberater Jonas Geißler klärt über die Folgen der Meckerei auf.

Sollten Sie sich dabei ertappen, dass Sie täglich meckern und nach und nach in eine Jammerroutine verfallen, ist es an der Zeit, zu fragen: Was ist eigentlich der Grund dafür? Und wie lässt sich etwas an der Situation ändern? Natürlich dürfen Sie sich weiterhin Luft machen, wenn etwas schiefläuft. „Das Jammern kann sogar positive Effekte für die Gemeinschaftsbildung haben“, erklärt Zeitberater Jonas Geißler. „Es hat die Funktion, zu vergemeinschaften: Ich treffe einen Kollegen auf dem Flur, wir jammern, wie stressig alles ist, und haben uns damit verbrüdert.“ 

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Nörgeln verurteilt uns zu Stillstand

Zugleich vermeidet man durchs Nörgeln allerdings, über das wirklich Wichtige zu reden. Und wer ständig jammert, büßt Produktivität ein. Einerseits, weil das Jammern den Stresshormonpegel hochtreibt und so buchstäblich die Denkfähigkeit blockiert. Andererseits, weil es uns zu Stillstand verurteilt. Nörgeln ist keine konstruktive Kritik und kein Änderungsvorschlag, sondern verschiebt die Suche nach einer Lösung auf einen unbestimmten Zeitpunkt. 

Jammern wirkt sich rasch auf das gesamte Team aus

Wer ständig nörgelt, tut eigentlich nichts – und überträgt seine schlechte Stimmung im schlechtesten Fall auf seine Arbeitskollegen. In ihrer Studie „Jammerspiralen in Organisationen. Ansteckung und Bearbeitung“ konnte die Psychologin Simone Kauffeld nachweisen, dass Jammern in Meetings weitere Jammeräußerungen nach sich zieht, während gleichzeitig lösungsorientierte Äußerungen gehemmt werden. Das eigene Jammern wirkt sich also rasch auf das gesamte Team aus. „Die Frage ist, wie tragfähig eine kollektive Opferhaltung ist“, sagt Geißler. „Ich würde sagen: nicht sehr nachhaltig.“

Seinen Ursprung findet ständiges Nörgeln häufig in einer zu hohen Arbeitsauslastung. „Wir leben in einer Gesellschaft, die Zeitmangel sehr positiv bewertet “, erklärt Geißler. „Diejenigen, die keine Zeit haben, sind in unserem Sinne erfolgreich. Wenn ich über Zeitmangel nörgle, signalisiere ich nach außen, wie beschäftigt und wichtig und wertvoll ich bin, und fühle mich dieser Personengruppe damit zugehörig. Und Zugehörigkeit ist eine sehr starke soziale Kraft.“ Eine andere Funktion des Nörgelns sei die, sich gegenüber Mehrarbeit zu schützen.

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Wir leben in einer Gesellschaft, die Zeitmangel sehr positiv bewertet.

Es müssen jedoch nicht einmal Überstunden sein, die ein Gefühl der Überlastung auslösen können. Auch wer sich keine Atempausen auf der Arbeit gönnt, um alle Aufgaben so schnell wie möglich abzuhaken, gerät schnell in einen konstanten Stress- und Nörgelzustand. „Ganz viele Elemente der Persönlichkeitsreifung finden in Zeiten der Ereignisarmut statt – und die werden immer weniger“, gibt Geißler zu bedenken. „Das hinterlässt ein fahles Gefühl der Unzufriedenheit, denn ich komme nicht mehr zu mir selbst.“

Die Energie drehen: So brechen Sie aus dem Nörgelkreislauf aus!

Doch wie kann man aus dem Nörgelkreislauf ausbrechen? Statt das Jammern zum Glücksräuber werden zu lassen, empfiehlt Geißler, die aufgewendete Energie aufzunehmen und sie zu drehen: „Nach dem Motto: Wie würde deine Nörgelwelt aussehen, wenn du sie aus dem Handstand betrachtest? “ Auf diese Weise verleiht man dem negativen Denken eine positive Seite, denn aus dem Jammern ergibt sich die Frage: Was wird benötigt, um die aktuelle Situation zu verbessern?

Außerdem hilft eine gute Zeitkultur am Arbeitsplatz beim entspannteren Umgang mit sich selbst und seinen Aufgaben– und so auch gegen das Nörgeln. Wichtig sei eine Balance zwischen Aktivität und Regeneration sowie die Übergänge zwischen verschiedenen Aufgaben sinnvoll zu gestalten, so Geißler. „Kurz mal für zehn Minuten Abstand gewinnen, den Ort und Kontext wechseln, auf andere Gedanken kommen. Und dann wieder zurück an andere Aufgaben.“

Zur Person: Jonas Geißler ist Zeitberater und Mitbegründer des Instituts timesandmore. Gemeinsam mit dem Zeitforscher Karlheinz A. Geißler veröffentlichte er das Buch „Time is honey: Vom klugen Umgang mit Zeit“, in dem er unter anderem dafür wirbt, die Vielfalt an Zeitqualitäten zu entdecken.

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