Interview Geschlechterrollen
Kochen, Wäsche, Kinderbetreuung: Nach wie vor übernehmen Frauen die meisten Aufgaben im Haushalt – auch dann, wenn sie im Beruf Vollzeit arbeiten. Warum ist die Verteilung der Geschlechterrollen heute noch so konservativ? Wir sprachen mit der Genderexpertin Dr. Sarah Speck.
Speck ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Sozialforschung in Frankfurt am Main und forscht zum Wandel von Geschlechterverhältnissen und Familienbeziehungen sowie zum Wandel der Arbeitswelt. Gemeinsam mit Cornelia Koppetsch führte sie an der TU Darmstadt eine Studie zu Familienernährerinnen-Paaren durch, die 2015 unter dem Titel "Wenn der Mann kein Ernährer mehr ist. Geschlechterkonflikte in Krisenzeiten" im Suhrkamp Verlag erschienen ist.
Das Ernährermodell ist hier im Vergleich zu anderen Ländern immer stark ausgeprägt gewesen. Deutschland gilt als konservativer Wohlstandsstaat. Das wird sozialpolitisch noch gestützt, wenn man z. B. an das Ehegatten-Splitting denkt, dass das Ernährermodell gefördert hat. Die ungleiche Bezahlung von Frauen und Männern führt auch dazu, dass sich Paare oftmals für eine solche Rollenteilung entscheiden. Tatsächlich spielen aber auch Orientierungen – also Leitbilder und auch untergründige Vorstellungen von Männlichkeit und Weiblichkeit – eine große Rolle.
In der hiesigen Gesellschaft geht man weiterhin davon aus, dass Frauen in der Zuständigkeit für Kinder eine höhere Kompetenz haben und zum Beispiel auch einen besseren Blick für Sauberkeit. Während die Erwartung an Männlichkeit weiterhin stark an Beruf und Erfolg geknüpft ist. Von vielen wird ein Mann nicht mehr als attraktiv wahrgenommen, wenn er ein Hausmann ist. Das heißt beide Geschlechter haben an der Stabilisierung dieser Erwartungen und damit letztlich auch an der Stabilisierung dieser Rollenbilder teil. Das führt dazu, dass man selbst in aufgeklärten Paarhaushalten der akademischen Mittelklasse eine traditionelle Aufteilung findet.
Historisch belegt ist das Bild der Hausfrau seit dem 18. Jahrhundert. Entstanden als Idee des Bürgertums, eine Teilung von unterschiedlichen Arbeitstätigkeiten zwischen den Geschlechtern vorzunehmen. Erst in den 1960er Jahren wurde es dann zum klassenübergreifenden Modell. Inzwischen hat sich einiges geändert: Gerade in gebildeten großstädtischen Milieus gibt es das Selbstverständnis als Hausfrau nicht mehr und es wird oft kaschiert, dass die Frau den Großteil der Haus- und Sorgearbeit übernimmt. Man behauptet, die Frage der Aufteilung sei eine Frage unterschiedlicher Neigungen oder Sauberkeitsstandards. Das Selbstbild hat sich stark geändert. Paare meinen, sie würden sich die Hausarbeit teilen, wenn man aber genauer hinschaut, ist das ganz und gar nicht so.
Dazu gehören natürlich die Fürsorge um Kinder sowie das Sauberhalten des Haushalts; Wäsche waschen und Kochen sowie auch das richtige ökonomische Haushalten, Fragen der Einrichtung und Gestaltung des Zuhauses sowie der Kauf von Kleidung, um nur einige von vielen Tätigkeiten zu nennen. Schließlich geht es darum, durch die Haus- und Sorgearbeit auch die Zugehörigkeit zu einem bestimmten sozialen Milieu sicherzustellen.
Männer sind traditionell hauptsächlich für den Außenbereich tätig, das heißt Müll heraustragen, Rasen mähen, die Autopflege und alles, was mit Reparaturen und Technik zu tun hat. Auch zählen so genannte „Unterstützungsleistungen“ im Haushalt dazu wie Kisten schleppen oder den Einkauf in die Wohnung tragen.
Studien haben gezeigt, dass Männer sehr wohl staubsaugen, Frauen aber dann fürs Wischen zuständig sind. Die Wäsche war schon immer in den Händen der Frau, da hat sich nichts geändert. Es sind bei vielen Tätigkeiten eingefahrene Geschlechter-Muster, die sich immer wieder herstellen. Junge Mädchen erlernen diese schon. Solche inkorporierten Routinen haben eine lange kulturelle Linie. Beim Beispiel Kochen ist das nicht anders: Wenn der Mann einmal im Monat Ente à l’orange kocht, wird das besonders hervorgehoben. Wenn die Frau routinemäßig kocht, nicht.
Frauen haben oftmals einen höheren Gründlichkeitsanspruch – auch das ist im Sinne einer Routine und eines gelernten ‚Blicks‘ zu verstehen. Wenn sich Männer ungeschickt anstellen, sagen Frauen schnell „lass mich das machen“. Sie fühlen sich verantwortlich und übernehmen selbst noch die meisten Tätigkeiten, wenn sie voll erwerbstätig sind und das Haupteinkommen des Haushaltes sicherstellen. Das heißt auch, dass sie oft nicht abgeben können.
Sicher hat sich hierdurch vieles in unserer Gesellschaft geändert. Aber genau in diesen Fragen der Hausarbeit erstaunlich wenig. Das Umdenken in der Geschlechterordnung bezieht sich vorwiegend auf den Erwerb, aber im Privaten bleibt vieles beim Alten. Das liegt u. a. auch an der Abwertung von Hausarbeit. Der geringe Stellenwert führt dazu, dass Paare meist sagen, dass Hausarbeit kein Thema für sie sei, da sie ja einfach nebenbei geschehe. Man will sich von der klassischen Hausfrauenehe abgrenzen und eine egalitäre Partnerschaft führen. Sich über Hausarbeit zu streiten gilt dabei als unschick und beziehungsgefährdend – im Zweifelsfall delegiert man sie lieber an Putzfrauen oder Au-pair-Mädchen. Was dann eine Umverteilung an Hausarbeit unter Frauen bedeutet, nicht zwischen Mann und Frau.
Es ist richtig, dass sich Biografien von Frauen sehr stark verändert haben. Zeitgleich sind die Ansprüche in allen Bereichen gestiegen: ob im Job oder im Privaten. Die mögliche Überforderung wird oft als individuelles Problem wahrgenommen. Frauen müssen im Sinne eines strengen Selbstmanagement die Vereinbarkeit von Job, Familie und Haushalt sicherstellen. Diese Erwartung wird gesellschaftlich ganz klar an die Frauen gestellt. Oft werden Großmütter eingespannt oder eben eine Haushaltshilfe eingestellt. Wobei letzteres natürlich ein bestimmtes Einkommen voraussetzt.
Solche Entscheidungen fallen oft in Richtung des Besserverdienenden, also in der Regel des Mannes, aus. Und Frauen werden immer noch schlechter entlohnt. Es sind zudem erneut die untergründigen Vorstellungen von Männlichkeit, die hier zum Vorschein treten. Frauen tun alles, damit der Mann erfolgreich im Beruf sein kann. Die Furcht vor dem Statusverlust des eigenen Partners überwiegt möglicherweise auch die eigenen Karriereambitionen. Hinzu kommt, dass sich viele Frauen auch gar nicht trauen, die Karrierefrau, Ernährerin bzw. Erfolgreichere zu sein, aus Angst verlassen zu werden. Auch ihre eigenen Attraktivitätsvorstellungen spielen eine Rolle. Das ist natürlich schade, dass sich diese Geschlechterbilder nur so sehr langsam wandeln.