Daheim im Museum
Roboter-Technologie
Wer das Van Abbemuseum in Eindhoven besuchen will, kann zu Hause bleiben – und vom eigenen Computer aus Europas einzigen Museumsroboter steuern.
Frauengesichter, wohin ich blicke. Die Porträts in Tusche und Kreide auf weißem Papier füllen eine Wand im zweiten Stock des Van Abbemuseums für moderne Kunst in Eindhoven. Ich schaue genauer hin und erkenne, dass die Porträts mit Stecknadeln an der Wand befestigt sind. Und als mein Blick die Bilderreihen entlangfährt, fällt mir auf: Eines der Bilder zeigt keine Frau.
„Dieses Werk heißt ‚Models‘“, erklärt Marleen Hartjes, „es stammt von Marlene Dumas und besteht aus 100 Porträts.“ Hartjes, meine Führerin bei diesem Museumsbesuch, steht neben mir – und auch nicht. Denn ich sitze gut 700 Kilometer entfernt in München. Doch meine Augen, Ohren und Stimme befinden sich in Eindhoven – in einem 1,60 Meter hohen Roboter auf Rollen, den ich mit den Pfeiltasten meiner Computertastatur steuere. Der europaweit einzige Museumsroboter ähnelt einem Staubsauger, auf dem ein Display auf Stelzen montiert ist. Die integrierten Kameras übertragen zwei Bilder auf meinen Computer: Auf dem größeren sehe ich den Raum und Marleen Hartjes. Ein kleineres Bild zeigt den Boden und die Roboterbasis. So sehe ich, wohin ich rolle. Und Hartjes sieht mich: Mein Gesicht ziert das Display.
Und zu Beginn präsentiert sich dieses Gesicht verdutzt. Ich staune, wie schnell ich zum Roboter wurde: Per Klick auf einen E-Mail-Link hatte ich ein Programm heruntergeladen, über das ich mich zur vereinbarten Zeit ins Museum schaltete. Ich bin fasziniert, wie ich per Mausklick auf den Zoomregler Details wie Stecknadeln erkenne. Hartjes kennt diese Reaktionen, sie ist die Mutter dieses Museumsroboters. Die 30-jährige Kunsterzieherin entwickelt und betreut im Van Abbemuseum Angebote für Menschen mit körperlichen und geistigen Einschränkungen. Als sie im Fernsehen den für Business-Anwendungen gedachten Roboter sieht, schlägt sie ihn dem Museum vor.
Sensoren gegen Kunstunfälle
"Nicht zurückfahren", bremst sie mich, als ich zurückrolle, um den gesamten Raum zu überblicken. Ich nehme den Finger vom Abwärtspfeil. Die dickbäuchigen Skulpturen hinter mir hätte ich nicht erwischt. Der Roboter hat Abstandssensoren, wie ich erfahre. Unfälle gab es noch keine, seit das rund 95 Kilogramm schwere und rund 20.000 Euro teure Gefährt Anfang des Jahres 2016 in Betrieb ging. Das liegt auch an den rücksichtsvollen Besuchern: Fast alle bleiben stehen, schauen neugierig. Einem Mann, der mich besonders interessiert mustert, winke ich zu. Und er winkt lächelnd zurück.
Wie dieser Herr mich wahrnimmt, erfahre ich, als wir mit dem Aufzug ins Erdgeschoss fahren. Der Spiegel reflektiert den Roboter samt meinem Gesicht auf dem Display. „Mit manchen Robotergästen beginne ich die Tour bewusst vor diesem Spiegel“, erklärt Hartjes. Vor allem ältere Menschen hätten oft keine Vorstellung vom Internet. Ein Museumsführer kommt zu ihnen nach Hause, um die Kunst zu erklären und den Roboter zu steuern – und dennoch halten sie die Bilder für eine Aufzeichnung. „Wenn sie sich selbst im Spiegel sehen, verstehen sie, dass sie sich live im Museum bewegen.“
Zwei- bis dreimal pro Woche setzt das Museum den Roboter inzwischen ein. Auch für Schulklassen – den Kindern und Jugendlichen gefällt die Fernsteuerung, weil es sie ein bisschen an ein Videospiel erinnert. Und dem Lehrer ermöglicht die Technik, jene Ausschnitte einer Ausstellung oder eines Bildes ins Klassenzimmer zu projizieren, auf die es ihm ankommt – ohne dass die Schüler von anderen Eindrücken des Museums abgelenkt werden.
Der Roboter als Chance für afghanische Künstler
Grundsätzlich darf jeder den Service nutzen, solange er sich zwei Wochen vorher über die Webseite des Museums anmeldet. Die Preise sind die gleichen wie für reguläre Besucher: 70 Euro mit Führung, 12 Euro ohne – wobei auch in der Basisversion ein Begleiter bei der Orientierung mit dem Roboter hilft. Auch Künstlern bietet der Roboter neue Möglichkeiten. Manche erklären Besuchern so ihre Arbeiten aus der Ferne. Andere nutzen den Roboter zur Inspiration: Für einige afghanische Künstler zum Beispiel ist er derzeit die einzige Chance, zeitgenössischen Werke zu begutachten.
Ich fahre weiter. Vor einem großformatigen Chagall, der Adam und Eva samt Apfel zeigt, schiebe ich den Zoomregler so lange hoch, bis selbst die Struktur der goldenen Ölfarbe sichtbar wird. Bei einem klassischen Museumsbesuch würde ich jetzt mit der Nase das Bild berühren und einen Alarm auslösen. So aber nehme ich einen Schluck aus meiner Kaffeetasse und sinniere über Ähnlichkeiten zwischen diesem Bild und den „Models“ aus dem zweiten Stock: Das Porträt, das mir vorhin auffiel, zeigte doch eine Schlange, das Symbol der biblischen Verführung, oder? Das muss ich sofort wissen.
Zwei Stunden bin ich unterwegs. Die Batterien sollen acht Stunden halten. Ich rolle also zurück Richtung Aufzug, Pfeil rechts, Pfeil geradeaus, um mir das Bild noch einmal genauer anzusehen.
TEXT Christoph Henn | FOTOS Valentina Vos
Roboter aus der Ferne steuern - auch für's Zuhause
Zuhause den Museumsroboter steuern, und von unterwegs den Roboter zuhause – mit Vorwerk können sie überall und jederzeit auf die Sauberkeit daheim achten. Denn der Kobold VR300 Saugroboter lässt sich ganz einfach auch via App bedienen.