Mein Weg aus dem „Konsumpf“

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Gastkommentar

Es sind Sätze, die bei fast jedem von uns sofort ein unreflektiertes Kopfnicken auslösen. Dieses „Immer höher, schneller, weiter“ unserer heutigen Zeit könne ja nicht gutgehen. Und dieser Stress mache auf Dauer krank. Man müsse sich vielmehr auf die wesentlichen Dinge des Lebens konzentrieren. Mit Minimalismus versuchen immer mehr Menschen genau das - gesünder und erfüllter leben. Auch der Blogger und Autor Christof Herrmann begann vor über einem Jahrzehnt damit, seinen Lebensstil zu hinterfragen. Seitdem nimmt er insbesondere sein und das allgemeine Konsumverhalten kritisch unter die Lupe – ein Gastkommentar.

von Christof Herrmann

Sind wir konsumsüchtig? Haben wir jegliches Maß verloren? Hat der US-amerikanische Komiker Will Rogers schon in der ersten Hälfte des 20. Jahrhundert die Zeichen der Zeit erkannt, als er sagte: „Zu viele Leute geben Geld aus, das sie nicht verdient haben, um Dinge zu kaufen, die sie nicht wollen, um Leute zu beeindrucken, die sie nicht mögen.“ 

Für mich persönlich musste ich diese Fragen bereits vor über zehn Jahren bejahen. Ich besaß weit mehr als die 10.000 Dinge, die ein Bundesbürger durchschnittlich besitzt. Schon meine CD- und Plattensammlung umfasste 4.000 Stück. Mein ökologischer Fußabdruck lag über dem deutschen Mittel von 11 Tonnen CO2-Äquivalenten. Klima und Erde vertragen nur 2,5 Tonnen CO2-Äquivalenten pro Einwohner. Und ich ließ sicher mehr als die üblichen 5.000 Werbebotschaften täglich auf mich einprasseln.

2006 hatte ich genug von dem vielen Kram, den vielen Überstunden und den vielen Verpflichtungen. Ich kündigte Job und Wohnung und ging auf Radweltreise. Eineinhalb Jahre, drei Kontinente, 20.000 km und unzählige Begegnungen lang lebte ich aus fünf Fahrradtaschen. Es fehlte mir an nichts. Im Gegenteil, ich fühlte mich so frei und glücklich wie nie zuvor. Dieses Gefühl musste ich mir zurück in Deutschland einfach bewahren. Es gelingt mit seitdem fast immer - indem ich bewusst, nachhaltig und mit wenig Ballast lebe.

Nachhaltiger Konsum fängt bei uns selber an

Immer mehr zu konsumieren kann auf Dauer nicht gut gehen – weder für uns selbst noch für unsere Umwelt. In einem endlichen System mit endlichen Ressourcen ist kein unendliches Wachstum möglich. Unsere Besitztümer sind Besitztürme und zwar so hohe, dass sie einzustürzen drohen. Wie soll man da gelassen bleiben und Glück empfinden?

Es gibt einen Ausweg aus dem „Konsumpf“. Wir können täglich zigmal aufs Neue entscheiden, wie wir konsumieren ? und ob wir nachhaltig handeln möchten. Kaufen oder eine Nacht drüber schlafen. Quantität oder Qualität. Discounter oder Bioladen. Auto oder Fahrradfahren. Baden oder duschen. Golf spielen oder wandern. Tierliches oder Pflanzliches. Fernreise oder Urlaub in der Nähe. Flaschenwasser oder Leitungswasser. Den Aufzug nehmen oder Treppen steigen. Die Wäsche in den Trockner stecken oder auf den Wäscheständer hängen… durch diese und viele weitere Entscheidungen üben wir Einfluss auf unser Leben und unsere Umwelt aus.

Es geht nicht um kompletten Konsumverzicht

Konsumsucht ist also heilbar. Manch einer tut sich damit schwer, denn diese Sucht ist weit verbreitet. Keine Sorge, es geht nicht darum, extremer Minimalist zu werden. Es geht darum, bewusst zu konsumieren und nur Dinge zu besitzen, die man wirklich verwendet. Schon Sokrates stellte vor 2.500 Jahren fest: „Wie viele Dinge es doch gibt, die ich nicht brauche.“

Um herauszufinden, was man braucht, kann man sich vor jedem Kauf die folgenden Fragen stellen: Besitze ich diesen oder einen ähnlichen Gegenstand schon? Kann ich den Gegenstand ausleihen - etwa von Nachbarn, Freunden oder aus der Bücherei? Besitze ich den Gegenstand schon in defektem Zustand und kann ihn reparieren (lassen)? Löst der Gegenstand ein Problem, das mich belastet? Bereichert der Gegenstand mein Leben? Vereinfacht der Gegenstand mein Leben oder ist das Gegenteil der Fall?

Ich habe in den letzten vier Jahren hunderte Blogkommentare und E-Mails von Menschen bekommen, die angefangen haben, bewusst zu konsumieren, und sich vom Überfluss an Dingen getrennt haben. Fast alle haben das als befreiend beschrieben, oft wurde sogar von Glücksgefühlen berichtet. Wer weniger besitzt, wird weniger besessen. Wer weniger Zeug hat, hat mehr Zeit, Möglichkeiten, Freiheit, Geld und Platz. Darum ist weniger mehr.

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